Warum kauft man ein bestimmtes Motorrad ? Es gibt viele Gründe die
für oder gegen ein Modell sprechen. Ich kann hier jedoch nur für
mich sprechen, denn die Entscheidung ist natürlich individuell :
Der Weg zum Zweitmotorrad
Ich habe eine BMW R850GS. Ist eine tolle Maschine, hat viel Kraft,
ein super Fahrwerk und ordentliche Bremsen mit ABS.
Neben dem Motorradfahren interessiere ich mich auch für Fotografie
und für Geschichte. Gelegentlich gelingt es mir alle drei Dinge unter
einen Hut zu bringen. So passiert es dann, dass ich unterwegs bin, und
auf der Landkarte die Markierung einer Festungsanlage sehe.
Es gibt dorthin keine Straße oder Wegweiser, ist einfach zu wenig
spektakulär, als das man damit Touristen locken könnte. Also
muß der Kompaß raus und ich biege in den nächsten Waldweg
ein. Der Weg wird enger, die Rinnen tiefer und ich habe mit 250KG BMW ordentlich
zu kämpfen...
Durchs Unterholz erkenne ich die Festungsfundamente und biege auf einen
schmalen Trampelfad ab. Tatsächlich, hier ist das gesuchte. Ich schaue
mir die Anlage an und mache ein paar Fotos.
Jetzt geht's wieder zurück, aber wie ? Der Pfand endet am Limes-
Graben, ich muß die BMW also wenden. Das ist leichter gesagt als
getan denn der Weg ist nur etwa einen Meter breit. Rangieren ist notwendig.
Vor und zurück, immer wieder. Irgendwann hab ich die BSE (BleiSchwereEnduro)
dann doch ´rumgekriegt und fahre auf den Weg zurück.
Es ist auch hier recht eng als mir ein Unimog der Forstverwaltung entgegenkommt.
Höflich wie ich bin, fahre ich rechts rann um ihn passieren zu lassen.
Rechter Fuß zu Boden und anhalten. Ok, ich halte, aber wo ist der
Boden ? Sch*** , genau dort wo mein Fuß hinwollte ist ein großes
Loch. Es bleibt mir nix anderes übrig als das Motorrad umzulegen.
Ist auch nicht weiter tragisch, die Boxerohren halten so einiges aus. Der
Unimog ist mittlerweile vorbei und eigentlich könnte ich weiterfahren.
Eigentlich...
Der Boden ist weich und nass, die BMW ist tief eingesackt und liegt
abschüssig. Mit viel Kraft und der richtigen Technik schaffe ich es
sie aufzuheben. Klitschnass geschwitzt komme wieder zur Landstraße...
Diese Story ist nur eine von vielen. Ich habe für mich festgestellt,
dass die BMW eine tolle Maschine ist, die aber wenn's eng zu geht nix taugt.
Man kommt zwar durch, aber es ist mit viel Mühe verbunden.
Also kam der Wunsch nach einem leichteren Motorrad auf.
Aber es sollte kein Crosser sein, denn der Limes ist nicht direkt vor
meiner Haustüre. Normalerweise habe ich einige Kilometer Anfahrt bevor
ich ins Gelände kann. Neu durfte sie auch nicht sein, denn ich hab
ja keinen Goldesel. Meine Liste sah in etwa so aus:
-
relativ leicht
-
gutes Fahrwerk (ohne groß Federbeine zu tauschen)
-
Viertakter
-
E-Starter
-
min. 30 PS
-
zuverlässig (der Motor soll länger als 20tkm halten)
-
keine allzustarken Vibrationen
-
Hohes Drehmoment und Druck von unten
-
Robust bei kleinen Umfallern
-
so wenig Verkleidung wie möglich
-
preiswert
Tja, das waren meine Vorstellungen. Damit habe ich die Zeitungen durchgesehen
und bin bei den Händlern aufgetaucht. Ergebnis:
Sowas gibt's einfach nicht, es gilt immer entweder oder. :-(
Entweder
Robuster Motor = Reiseenduro alá, Transalp, AT
Oder
leicht und ohne Verkleidung = Sportler alá KTM LC4
Einzig die Yamaha TT600 und Suzukis DR kamen in Frage.
Die TT viel gleich wieder raus, deren Motor hatte mir zu wenig Dampf,
das Fahrwerk war zu wabbelig. Der Suzuki konnten erst andere Federelemente
zum Fahrspaß im Gelände verhelfen, also unterm Strich auch ziemlich
teuer.
Durch Zufall bin ich dann auf die Baghira aufmerksam geworden.
Das Werbeprospekt war nicht sehr aussagekräftig, deshalb hab ich
mir das Mopped beim Händler angeschaut und war ziemlich überrascht:
Die Optik ist einzigartig: Tank, Lampenmaske, oder die weit nach vorn
gezogene, den Tank umgreifende Sitzbank, hatte ich so noch nirgends gesehen.
Nicht schlecht, also mal weiter gucken:
-
Der Rahmen ist nicht lackiert sondern Pulverbeschichtet.
-
Extrem lange Alu-Schwinge
-
In Zug und Druckstufe einstellbare Marzocchi-Gabel
-
Auch das White-Power-Federbein ist komplett einstellbar
-
280 Millimeter Federweg vorne wie hinten
-
Grimeca-Bremszangen, vorne Doppelkolben, hinten einfach
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Stahlflex Bremsleitungen
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Alu-Felgen
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Edelstahl-Auspuffanlage
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Komplett durchgefärbte Kunststoffteile
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Breite, gezahnte Fußrasten
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Per Excenter leicht verstellbarer Fußbremshebel
-
Ein Seitenständer, der ideal am Rahmen anliegt und nie stört.
Nein, das ist kein Umbau, das ist eine ganz normal MZ Baghira.
Alles Serie, muß schweineteuer sein das Teil. Nix da: 10.990,-
DM will der Händler haben. Ich kann's irgendwie nicht glauben. Eine
ähnlich ausgestatte KTM kostet über dreizehn...
Ok, jetzt bin ich neugierig eine Probefahrt muss her.
Die Baghira springt sofort an, auf Knopfdruck versteht sich.
Der Auspuffsound ist angenehm tief ohne laut zu wirken, unter der Sitzbank
ist ein heiseres Ansauggeräusch zu hören. Geil!
Los geht's, erst mal durch den Ort, dann raus auf die Landstraße.
Als erstes fällt mir die entspannte Sitzposition auf. Der Kniewinkel
ist sehr angenehm, der Tankschluß perfekt. Zudem kann ich auf der
Sitzbank vor- und zurückrutschen und damit meine Haltung gut variieren.
Und handlich ist das Teil, kaum zu glauben. Die MZ fällt quasi von
alleine in die Kurve. Die Bremsen sind gut dosierbar, hinten pfeifts auf
Wunsch sofort. Dabei bleibt die Gabel stabil und taucht nur minimal ein.
Sehr gut.
Auf einer Schnellstraße bringe ich die Enduro auf Höchst-
geschwindigkeit von Tacho 150. Sie läuft dabei sehr präzise und
ohne jegliches Pendeln. Durch die fehlende Verkleidung spüre ich den
Winddruck, aber der Krach, den eine Scheibe üblicherweise produziert,
fehlt völlig.
Runter von der Schnellstraße und rein ins Kurvengetümmel
des Odenwalds. Schnelle Wechselkurven gehen dank des breiten Lenkers einfach
der Hand, der Pirelli Reifen grippt erstaunlich gut.
Je schlechter der Asphalt, desto wohler fühlt sich die MZ. Kanaldeckel,
Teerflicken, Schlaglöcher - das Fahrwerk bügelt alles platt.
Jetzt will ichs wissen - wo ist der nächste Feldweg ?
Ich muß etwas langsam machen denn der Reifen ist eher straßenorientiert,
die "Stollen" sind nicht sehr ausgeprägt.
Und hier kommt die nächste Überraschung. Der Motor vermittelt
Traktorfeeling. Von unten heraus, knapp über Leerlaufdrehzahl gibt
er gleichmäßig seine Kraft an die Kupplung. Diese ist relativ
schwergängig, aber gut dosierbar.
Es geht steil den Berg hinauf, die Baghira stampft im zweiten Gang,
knapp über Schrittgeschwindigkeit. Boff, Boff, Boff. Ich spüre
und höre jeden einzelnen Kolbenschlag. Dabei fehlt das Hacken auf
der
Antriebskette völlig.
Mit glänzenden Augen stelle ich die Baghira nach einer Stunde wieder
beim Händler ab. So eine muß es sein. Sie hat alles was ich
will. Genügend Kraft, ein Motor der meiner Fahrweise entgegen kommt,
ein sehr gutes Fahrwerk und ein ordentliches Preis - Leistungsverhältnis.
Es dauert dann noch über ein Jahr bis ich endlich eine gut gebrauchte
Baggi finde. Das war im Februar 2002. Heute (Oktober 2002) Habe ich 14tkm
mit der Baghira zurückgelegt, die GS kam nur auf läppische 3tkm.
Warum ? Weil mir der kleine Einzylinder einfach mehr Spaß macht.
Und genau deshalb wird die BMW auch verkauft ! Punkt, Schluß, Ende.
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